Das Hexenhaus

Vor vielen Jahren, als noch nicht alles so zugebaut war, hatte man noch Weitblick, wenn man aus dem Fenster schaute. Genau gegenüber unseres Hauses konnte man eine lange Treppe hinaufgehen, um in die Stadtmitte zu gelangen. Links und rechts dieser Treppe standen hohe Bäume und mitten auf dieser Treppe stand seitlich ein kleines Haus. Es waren zwei Etagen, auf jeder Etage nur ein Fenster – und das Dach zierte ein spitzes, kleines Türmchen. Ideal also, um sich ein kleines Spukschloss oder Hexenhaus vorzustellen. Ich kann mich leider nicht erinnern, wozu es tatsächlich diente. Sicher bin ich mir jedoch, daß die Geschichten, die ich mir ausmalte, wenn ich das Haus aus der Ferne betrachtete – meiner Fantasie total freien Lauf liesen. Angefangen vom Spukschloss, in dem das Licht an- und ausging bis hin zu der Tatsache, daß man da einen Gauner eingesperrt hatte – oder aber, daß da eine Prinzessin lebte.
Meist entschloss ich mich für den gruseligen Part, der war interessanter und erzeugte manchmal sogar Gänsehaut. Schließlich konnte mir ja auch keiner der Erwachsenen sagen, was da wirklich drin war.
Diese Geschichten lebten so lebendig in mir, daß ich jedesmal, wenn ich diese Stufen hinaufging, unweigerlich etwas schneller wurde. Es hätte ja “mal” die Tür aufgehen können – und wer weiß, was dann herausgekommen wäre?
Vielleicht wollte ich mir aber auch nur nicht meine Fantasie rauben lassen.
Schön ist, daß ich mich noch so gut daran erinnern kann – und daß mich genau diese Erinnerung meist auch in die Lage versetzt, heutzutage Kinder zu verstehen, wenn auch sie ihre Fantasie genießen.

Licht an – Licht aus


Kommentare

Das Hexenhaus — 1 Kommentar

  1. Es gibt sie noch, diese kleinen kuscheligen Häuser. Kuschelig sind sie erst im Erwachsenalter. Auch in Bad Orb existiert das kleinste Fachwerkhaus Deutschland, was auch als Hexenhäusle durchgehen könnte.

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